✈ Englischbuchflair am Ufer der Themse

Dank der wochentags viel zu früh angesetzten vormitternächtlichen Sperrstunde und der damit eher uneuropäischen Interpretation von "Nachtleben" lässt London seine Besucher relativ schnell vergessen, dass man sich in einer Millionenstadt befindet. Ausgelassene Nächte gehören anscheinend der Vergangenheit an, dafür verdrängt nun die moderne Architektur das traditionelle Stadtbild im vergilbten Rauhfaser. Alles, was wir in You&Me-Listening Comprehensions gehört haben, kann man nun somit getrost beiseite legen. Inzwischen sind es schließlich Bauten wie The Shard, London Eye oder 20 Fenchurch Street, die diese historische Skyline prägen. Ja, Einheimische sprechen sogar davon, dass sich diese Stadt in den letzten 20 Jahren um 100 Jahre entwickelt hätte. Ich bin gespannt.

 

Doch beginnen wir mal von vorne: Wien - London in nicht ganz zwei Stunden. Ich bin begeistert. Angekommen in Heathrow, gibt es nun eine Reihe an Möglichkeiten, um ins Stadtinnere zu gelangen. Mein Aufenthalt war kurz, deshalb wählte ich die Schnellste.. dafür jedoch Kostenintensivste: Heathrow Express. Für ein Hin- und Retourticket löhnt man schon beachtliche 37£ (rund 44 Euro), ist dafür aber innerhalb von 15 Minuten in Paddington, in der Nähe des Hyde Parks. An normalen Tagen geht es dann von dort mit der Metro weiter zum Hotel oder in die historische Altstadt. Wie gesagt, an normalen Tagen. Heute haben die Mitarbeiter der Metro jedoch beschlossen, zu streiken. Eine fast vergessene Kunst, die - laut Einheimischer - in England gerade ein Revival erlebt. Kurzum: Der Flug von Österreich nach England war wesentlich kürzer, als die Fahrt vom Marble Arch zur Tower Bridge. 

Tipp: Spontanreisenden, die über keine private Schlafmöglichkeit verfügen, oder denen der Komfort nicht weiter wichtig ist, sei das Wombats ans Herz zu legen. Bei Vorortbuchung zahlt man im 6er Zimmer lediglich 24£ (rund 30 Euro) pro Person und Nacht. Ein Vergleich: Im nicht nennenswerten Hotel gegenüber würde man für ein Doppelzimmer 480 Euro hinblättern. Gut, London ist bekannt für seine "expensiveness" und Frühbucher profitieren ohnehin, dennoch entsprechen qualitative Standards oftmals nicht dem geforderten Pfund. 

 

Da es nach Ankunft im Zentrum schon relativ spät für eine Reservierung war, habe ich beschlossen, den Mitternachtssnack im hochgepriesenen "Five Guys" einzunehmen. Geschmacklich überbewertet. Eine fetttriefende Version unseres LeBurgers mit Pommes aus einer braunen Papiertüte. Einmal. Und nie wieder. 

 

Weiter ging es mit Nightsightseeing: Für Fotos eher ungeeignet, dafür feiere ich den Kulturgenuss ohne nervtötender Selfiesticksoldaten schon seit Jahren, um von Städten einen ersten Eindruck zu bekommen.

 

Wenn es die morgendliche Stimmung zulässt, ist ein Spaziergang im Hyde Park zu empfehlen. Auch wenn - dank des Windes - die versprochenen 13 Grad Celsius eher an Minustemperaturen erinnern, so war dies bestimmt das Highlight der kleinen Exkursion. Beim Füttern der bezaubernden Grauhörnchen, Halsbandsittiche oder Blaumeisen vergisst man ohnedies Londons Wetter.

Gut, wenn die einst größte Stadt der Welt auch so manche Startschwierigkeit bereiten mag, der Charme eines abendlichen und einsamen Spaziergangs entlang der Themse lässt Vieles wieder vergessen. In nur einer Stunde geht es vom Trafalgar Square über die St.Pauls Cathedral bis hin zur Tower Bridge. Klar, wenn man sich für die Nachtroute entscheidet, gewinnt man bestimmt keine neuen Freunde, erhält dafür aber das wahrscheinlich längst vergessene Englischbuchflair der dritten Klasse Unterstufe - zumindest für einen Augenblick - zurück.


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